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Frau Prof. Baumann:
Der Anteil erneuerbarer Energiequellen an der weltweiten Stromerzeugung ist insgesamt gesehen bislang noch relativ gering. Daher scheint eine Energieversorgung ohne Öl im Moment noch kaum vorstellbar. Island aber will der erste Staat der Welt werden, der völlig auf fossile Energie verzichtet. Bis 2050 - so die Vision der Regierung - soll die ganze Republik ohne Öl, Gas und Kohle auskommen. Wasserstoff soll der mobile Energieträger der Zukunft sein. Sauberer Wasserstoff, hergestellt mit Strom aus alternativen Energiequellen. Das bedeutet: keine Treibhausgase mehr - Schonung für das Klima und die Umwelt.
Island hat es bei diesem Vorhaben allerdings leichter als andere Länder, denn der Inselstaat hat nur knapp 300.000 Einwohner und verfügt über eine große Menge natürlicher Energievorräte: So gibt es auf der Insel zum Beispiel ein riesiges Angebot an Wasserkraft, durch die zahlreichen Gletscherflüsse. Außerdem liegt Island genau an der Nahtstelle zwischen der amerikanischen und der eurasischen Erdplatte, auf dem sogenannten Atlantischen Rücken. Deswegen gibt es in dieser Region schon immer eine starke vulkanische Aktivität. Nebeneffekte davon sind die Erdwärme- Erscheinungen, die man sehr gut für die Stromerzeugung und zum Heizen nutzen kann. Genau wie die Sonnen- oder Windenergie hat auch die Erdölwärme einen entscheidenden Vorteil: Bei ihrer Nutzung entstehen relativ wenig Treibhausgase wie das Kohlendioxid, das langsam aber stetig die Erde erwärmt. Übrigens heizen heutzutage fast alle Isländer ihre Häuser mit Erdwärme aus dem Vulkangestein.
Siebzig Prozent des gesamten Energieverbrauchs des Landes werden heute schon mit erneuerbaren Energien abgedeckt - in dieser Hinsicht ist das Land Weltspitze. Einen Teil der benötigten Energie liefern allerdings noch immer fossile Brennstoffe. So sind noch zwei wesentliche Bereiche übrig, die nach wie vor auf Benzin und Dieselöl angewiesen sind, nämlich der Verkehrssektor und die Fischereiwirtschaft. Das Problem dabei ist Folgendes: Es gibt noch keine geeigneten Energieträger, die sich aus umweltfreundlich erzeugtem Strom herstellen und einfach speichern lassen, um damit mobile Systeme wie Busse, Autos oder auch Boote anzutreiben.
Eine Lösung, an der zurzeit sehr intensiv geforscht und entwickelt wird, besteht darin, Wasserstoff als Energieträger bereitzustellen. Diese Idee wurde in einem groß angelegten Projekt im Jahr 2003 getestet, an dem drei multinationale Industrieunternehmen beteiligt waren. Und zwar fuhren in einem ersten Testlauf drei Wasserstoff-Busse auf Island. Dafür wurde im Frühjahr 2003 die erste Wasserstoff-Tankstelle in Reykjavik in Betrieb genommen. Das Abgas dieser Fahrzeuge ist übrigens Wasserdampf, also reines Wasser, das bedeutet, Schadstoffe werden nicht freigesetzt.
Im Betrieb sind diese Busse also durchgängig umweltfreundlich. Allerdings ist die Herstellung von Wasserstoff recht energieintensiv. Das heißt, man benötigt eine Menge Strom, um normales Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Und wenn man diese Kosten mit den derzeitigen Benzinpreisen vergleicht, ist der Wasserstoffantrieb sehr viel teurer. Auf der anderen Seite weiß man aber auch nicht, was fossile Brennstoffe in 30, 40 Jahren kosten werden. An der Energiefrage wird es in Island jedenfalls nicht scheitern, denn die Wasserkraftwerke und Erdölwärme-Anlagen liefern reichlich Elektrizität, um den gesamten Verkehrssektor mit Wasserstoff versorgen zu können.
Wenn sich das Modell Island bewährt, dann könnte der Wasserstoffantrieb flächendeckend auch auf das europäische Festland kommen. In Deutschland wäre es denkbar, dass zum Beispiel die Windenergie einen Teil des Stromes liefert, der für die Herstellung von Wasserstoff nötig ist. Nur in einem Bereich gibt es mit dem Wasserstoffantrieb noch Probleme, und zwar in der Schifffahrt. Ein Schiff kommt nicht jeden Tag in einen Hafen, deshalb muss an Bord ziemlich viel Wasserstoff gespeichert werden. Auch Sicherheitsfragen spielen eine Rolle, wenn ein Schiff auf hohe See fährt. Alle diese Probleme werden sich aber ebenso lösen lassen wie beim Auto auch. Mit den Fischereibooten hätte Island dann die letzte Lücke auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung der gesamten Insel geschlossen.