Länge: 4 Minuten 20 Sekunden (572 Wörter)
Quelle: SPIEGEL online – 17.10.2001: „Zündet ein Doktortitel den Karriere-Turbo?”
Autor Roland Karte
URL: www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,162717,00.html
Sprecherin:
In manchen Branchen und Berufssparten gilt ein Doktortitel als Standard, in anderen eher als hübsche Dekoration. Auch bei Bewerbungen kann man sich nicht darauf verlassen, dass die Promotion bei den Personalchefs einen großen Eindruck macht. Wir befragen heute einen Professor und einen ehemaligen Doktoranden zu diesem Thema. Herr Prof. Theisen, was würden Sie jemandem raten, der sich überlegt, ob er promovieren sollte?
Prof. Theisen:
Ich würde jedem, der vor dieser Frage steht, in jedem Fall raten, sich die Sache gut zu überlegen. Eine Promotion dauert in der Regel 3-4 Jahre und stellt eine hohe Belastung für den Doktoranden dar. Jeder sollte vor Beginn seine eigene Motivation überprüfen und eine realistische Einschätzung seiner individuellen Fähigkeiten und seiner persönlichen Kapazität vornehmen. Auch die familiäre Situation und das berufliche Umfeld müssen dafür stimmen.
Sprecherin:
Können Sie uns eine ungefähre Vorstellung davon geben, wie viele der Doktoranden jährlich ihr Ziel nicht erreichen und ihre Promotion abbrechen?
Prof. Theisen:
Ich habe keine genaue Zahl vorliegen, aber Schätzungen zufolge bringt höchstens die Hälfte der Doktoranden ihre Promotion zu einem erfolgreichen Ende.
Sprecherin:
Das heißt, es gibt eine ganze Menge Doktoranden, die vorzeitig aufgeben. Herr Dr. Klenk, Sie haben vor gar nicht langer Zeit ihren Doktor gemacht, was glauben Sie, wo liegen die Gründe für diese hohe Anzahl von Abbrechern unter den Doktoranden?
Dr. Klenk:
Ich denke, einen Grund hat Prof. Theisen schon genannt, es ist eine große Belastung. Dabei spielen mehrere Aspekte eine Rolle. Es kommt darauf an, wie gut jemand alleine arbeiten kann, wie diszipliniert man ist und wie viel Durchhaltevermögen man hat. Ich selber hatte auch Phasen, wo ich aufgeben wollte. Aber ich habe Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten, deshalb habe ich immer wieder weitergemacht. Wenn man diese Motivation nicht hat, sondern nur für die Karriere promoviert, dann kann man leicht scheitern.
Sprecherin:
Ja, da haben Sie einen wichtigen Punkt angesprochen, nämlich die Frage, was man denn später im Beruf mit dem Doktortitel erreichen kann. Was meinen Sie dazu?
Dr. Klenk:
Nach meiner Einschätzung gibt es schon ein paar Bereiche, in denen ein Doktortitel ein Vorteil ist. Abgesehen vom Hochschulbereich, für den die Promotion absolute Voraussetzung ist, kann ein Doktortitel auch für die Wirtschaft interessant sein. Besonders wenn es um die Besetzung von Stellen für Führungskräfte geht. Es gibt außerdem Branchen wie zum Beispiel die Medienunternehmen, die sehr viel Wert auf promovierte Mitarbeiter legen.
Sprecherin:
In vielen Bereichen macht ein Doktortitel also immer noch Eindruck. Kann man denn auch sagen, er zahlt sich aus? Das heißt, verdient man damit mehr Geld? Herr Prof.Theisen.
Prof. Theisen:
Ja, dazu gehen die Meinungen auseinander. Einerseits haben Promovierte einen finanziellen Vorteil, wenn sie eine Stelle als gut bezahlte Führungskraft in der Wirtschaft bekommen. Andererseits muss man natürlich auch berücksichtigen, dass promovierte Akademiker einige Jahre mehr für ihre Ausbildung aufwenden und in dieser Zeit noch nicht wie andere Geld verdienen. Ich denke, die Vor- und Nachteile muss jeder selbst abwägen und dann seine Entscheidung treffen.
Sprecherin:
Ja, ich habe den Eindruck, eine Promotion will gut überlegt sein. Wir haben vorhin von den Schwierigkeiten wie z. B. mangelnder Arbeitsdisziplin gesprochen, mit denen ein Doktorand fertig werden muss. Auch die Arbeitsorganisation ist häufig nicht einfach. Gibt es denn außer im privaten Bereich noch woanders Hilfe und Rat? Herr Dr. Klenk.
Dr. Klenk:
Ja, dazu kann ich etwas sagen. Es gibt seit einigen Jahren ein Doktoranden-Netzwerk mit Namen ?Thesis?. Es bietet Informationen, organisiert Foren, schafft Kontakte. Wer plötzlich nicht mehr weiter kommt, kann sich dort melden und Hilfe bekommen.
Sprecherin:
Ja, das hört sich doch gut an. Ich danke Ihnen für das Gespräch.